Rettungsringe





Und wieder war es derselbe Mist wie all die anderen Nächte. Wir schwammen alle zwischen Flaschen zum Rand voll mit Alkohol oder Liebe und Scherben aus Glas oder Herzen und Küssen aus Lust oder Langeweile und kein Wort kam, was mich hätte rausholen können. Nicht aus dem richtigen Mund und nicht aus dem falschen Mund. Und keine Hand, die mich herausgezogen hat oder mir den Rettungsring gereicht hat. Und keine Lippen, die den Geschmack von Salz aus der Wunde geküsst haben, die du mir hinterlassen hast. Und keine Melodien, die süß genug waren, um den bitteren Geschmack von dem Billigwein wegzuwischen, der den Geschmack von dir hätte wegwischen sollen. 
Also schwamm ich allein zwischen Flaschen und Alkohol und Liebe und Scherben und Glas und Herzen und Küssen und Lust und Langeweile. Orientierungslos zwischen Rhythmen und immer fortlaufenden Bewegungen und dem was du mir auf den Weg mitgegeben hast. Sand zwischen den Zehen und Salz auf der Haut und in der Wunde. Schwer zu schwimmen, wenn du mich nach unten drückst, alles beseitigen willst, was nur nach den Umrissen meines Namens klingt. Die Melodien sind nicht mehr zu trennen und sie schreien, sie rufen deinen Namen, sie rufen meinen Namen. 
Und wieder war es derselbe Mist. Und wieder wurde ich angespült und landete auf dem harten Ufer, in den Scherben aus Glas oder Herzen und hörte Flaschen klirren und Lippen küssen, die sich nicht küssen sollten und wieder ging ich den falschen Weg um verzweifelt zurückzugehen an einen Platz, wo die Flaschen nicht mehr da und die Scherben beseitigt und die Melodien verstummt waren. Wo nur noch das Echo deiner Stimme war. Und wieder hab ich mir den Rettungsring selbst gereicht. Und wieder hab ich mich allein ans Ufer gezogen. Und wieder hab ich mich auf den richtigen Weg nach Hause geführt. 
Wieder war es derselbe Mist.

Teil 2 / Fotoprojekt Visionen


 (Teil 2) Die menschliche Haut regeneriert sich alle 3 Wochen, also sollte ich die Echos deiner Berührungen nach einem Monat nicht mehr spüren. Dann wäre es womöglich leichter dich zu vergessen. War es aber nicht. Die Erinnerungen setzten sich jetzt in meinem Denken fest, bestimmten mein Handeln. Das Bild von uns, was in meinem Kopf herumschwirrte, deine Stimme, die in meinem Kopf herumspukte, unvergängliche Aufnahmen unserer Liebe. Alles wurde plötzlich so klar und deutlich, als würde ich es noch einmal durchleben. Es verfolgte mich überall hin, auf den Straßen liefst du neben mir, nachts schliefst du neben mir, der Geschmack deiner Lippen war in meinem Mund, der Klang deiner Stimme war in meinem Kopf, deine Worte in meinen Ohren, du warst immer bei mir. Es war alles wie früher. Fast alles. Meine Tränen hast du nicht mehr weggewischt, du hast sie auf meiner Haut trocknen lassen, sie sich festsetzen lassen, sie mich erinnern lassen, dass da etwas ist, was nie wieder weggehen würde. 




Stuttgart





 BENJAMIN ZVONAR PHOTOGRAPHY, STUTTGART 02.03.2014




Spaziergang durch das alte Leben


Das ist so ein undefinierbares Gefühl, was ich habe, wenn ich durch all diese altbekannten Straßen laufe, und merke, dass sie doch so fremd geworden sind. Das schöne daran ist, dass ich froh bin, dass ich sie kaum mehr erkenne. 
Wie die Last ihnen auf den Dächern hängt.
Ich kann mittlerweile die Blicke genießen, die einen röntgen, als wäre man schon immer fremd und nie da gewesen, weil sie einen selbst nicht mehr erkennen, oder nicht mehr erkennen wollen.
Dann die, die einen mustern, als wäre man nie weg gewesen, wie das eben immer war.
Die, denen das Fragezeichen auf der Stirn auf 100 Metern Entfernung anzusehen ist, - was man hier wohl macht, nach all der Zeit. Oder was man meint, hier zu suchen.
Den schönsten Ausblick habe jedoch immer noch ich:
Ich habe die klare Sicht auf die verschwommene Wahrnehmung des Lebens, die diese Menschen hier nach wie vor haben. Sie versinken in der Routine, im pausenlosen Wiederholen dieser naiven Gesten und Worten, dem Laufen in einem kreisrunden Loch, aus dem sie nicht mehr herauskommen. Sie irren umher und haben nichts gelernt in all der Zeit und das alles, weil sie sich selbst an der immergleichen Stelle gefangen halten und nach dem Motto leben, dass das Risiko zu gefährlich ist.
Ich bin froh, dass ich aus ihren Fehlern gelernt habe und ich bin froh, dass ich angefangen habe, meine Leiter, die aus diesem Loch führt, mit meinen bloßen Händen zu bauen.

Es hat sich nichts verändert.
Es hat sich so viel verändert.